Der New York Marathon – wirklich der Traum eines jeden Läufers? –

von Frank Bartsch
Es sei für einen jeden Marathonläufer der Traum schlechthin, einmal beim New York Marathon dabei zu sein. So oder so ähnlich liest es sich oder hört es sich meistens an, wenn der Marathon in New York thematisiert wird.
Aber warum ist dieser Lauf für offenbar so viele Läufer so faszinierend?
Ganz nüchtern und mit etwas Abstand von dem Erlebten betrachtet stelle ich fest, dass der New York Marathon letztlich auch „nur“ ein Marathon ist.
Es gibt einen Start und ein 42,195 km bzw. 26,2 Meilen entferntes Ziel, viele Läufer, die von Zuschauern angefeuert werden, eine Marathonmesse, auf der die Startnummern abgeholt werden müssen und die vielen anderen, einen Marathon charakterisierenden Dinge. Und auch in New York ist man im Ziel kaputt und froh, es geschafft zu haben. Nicht anders als in Berlin, Hamburg, Oldenburg oder irgendwo.
Dennoch, der Marathon in New York ist in manchen Belangen gewiss schon etwas besonderers. Viel mehr Läufer, viel mehr Zuschauer, eine viel schwierigere Strecke, eine viel höhere Startgebühr...
Der Start ist auf Staten Island, einer Insel südwestlich von Manhattan. Dorthin gelangt man am Wettkampftag nicht individuell, sondern nur offiziell organisiert per Fähre oder stark eingeschränkt mit dem Bus.
Mein Wecker klingelte morgens früh um 5 Uhr. Um 5:44 Uhr musste die erste U-Bahn zum Fähranleger am Südzipfel von Manhattan erreicht werden, um auf die mir schon im Vorfeld zugeteilte Fähre zu gelangen, die um 6:15 Uhr Richtung Staten Island aufbrach.
Die Fähren sind das Hauptverkehrsmittel, mit dem die Läuferscharen von Manhattan aus zum Start transportiert werden. Die ab 5:00 Uhr im Halbstundentakt auslaufenden Schiffe fassen jeweils etwa 4.500 Läufer und sind auch entsprechend „voll“.
Nach halbstündiger Fahrt angekommen wollte ich mir im Startbereich bei 4°C das lange Warten im Freien ersparen und habe zunächst, wie viele andere auch, auf die Weiterfahrt mit dem Shuttlebus verzichtet. Die folgenden fast 2 Stunden verbrachte ich so im Halbschlaf auf dem Boden des Fährterminals liegend.
Vom Fähranleger ist noch eine etwa 45 min. dauernde Busfahrt durch enge Straßen notwendig, ehe man dann endlich im Startbereich eintrifft.
Für jemanden wie mich, für den es beim Laufen nicht schnörkellos genug zugehen kann, alles andere als himmlische Umstände.
Allerdings hatte ich das Glück, gleich mit der ersten Welle um 9:40 Uhr starten zu können. Wer Pech hat, startet erst um 10:55 Uhr mit der vierten Welle und hat eine noch längere Zeit zu überbrücken.
Rechnet man die gesamten Zeiten für die Anreise von Oldenburg nach Manhattan und von dort aus zum Start zusammen, komme ich auf mehr als 20 Stunden bis zum ersten Schritt über die Startlinie.
Der diesjährige Marathon war mit insgesamt 50.564 Finishern der bisher größte, der jemals auf dieser Welt stattgefunden hat. Zum Vergleich, in Berlin erreichten dieses Jahr 28.999 Läufer das Ziel, also mehr als 21.000 weniger.
Der Trend zu immer mehr Teilnehmern erreicht nicht nur in New York seine natürlichen Grenzen und hat diese dort m.E. schon überschritten. Es müssen über 50.000 Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Start auf eine Insel transportiert werden. Die Sicherheitsmaßnahmen aus Taschenkontrollen und Körperscannungen sind immens und lassen wiederholt lange Schlangen entstehen. Das Orientieren im zu kleinen Startareal – einer ehemaligen Militäranlage am Fuße der großen Verrazano Hängebrücke - fällt dank schlechter Beschilderung schwer und nicht nur vor den Eingängen der vielen Startblöcken ist es deutlich zu eng.
Ich war froh, als es unter den Klängen der Nationalhymne endlich los ging und hatte das Gefühl, schon einen Marathon eigener Art hinter mir zu haben.
Der Lauf wird mir als mein mit Abstand schwerster Marathon in Erinnerung bleiben. Im Gegensatz zu den schnellen Kursen in Berlin und London ist die Strecke äußerst und ständig wellig, über die zwei großen Hängebrücken hat man sich über giftige Anstiege zu quälen. Meine Uhr zeigte am Ende insgesamt 305 Höhenmeter. Berlin z.B. hat nicht einmal 70 Höhenmeter. Außerdem wehte ausgerechnet an diesem Tage ein stürmischer Wind, der leider nur auf den letzten 5km von hinten blies.
Die Strecke selbst führt im Wesentlichen über sehr breite Straßen, auf denen es sich zumindest in den vorderen Regionen doch recht unbedrängt laufen lässt. Scharfe Kurven gibt es nur wenige, es geht meistens „gerade aus“. Teilweise mehrere Meilen lang.
Die Stimmung an der Strecke ist gigantisch. Die Zuschauer stehen über fast die gesamte Strecke in mehreren Reihen und feuern die Läufer frenetisch an. Ich habe die Stimmung in London aber nicht wesentlich weniger toll in Erinnerung.
Der Lauf ist auch in finanzieller Hinsicht etwas besonderes. Allein für die Startgebühr hat man $347 zu entrichten. Von den Gesamtkosten der Reise mal ganz zu schweigen.
Mein persönliches sportliches Fazit ist überragend. Ich bin mit meiner eigenen Art der Vorbereitung, der gewählten Laufeinteilung und meiner Endzeit außergewöhnlich zufrieden. Es war für mich ein phantastischer und perfekter Lauf, der nicht besser hätte verlaufen können.
Emotional gesehen war für mich aber das eigentlich besondere die Stadt New York selbst. Diese Metropole muss man einfach gesehen und erlebt haben. Die 9 Tage in dieser so unendlich aufregenden und facettenreichen Stadt mit ihren vielen weltberühmten Sehenswürdigkeiten waren für mich das wirkliche Highlight. Der Marathon ist dabei nur das Sahnehäubchen gewesen, nicht mehr und nicht weniger.

Zurück